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Update 2018:

Es liegt jetzt ein Beschluss des Gemeinderates vor, das Seuchenlazarett aufzuarbeiten. Hier finden Sie die Quellenanalyse der Universität Paderborn als Ergebnis unseres Antrages.

Wir werden als Verein das mProjekt weiter begleiten und unterstützen und planen eine eigene Ausstellung für die es bereits Fördermittel gibt.

 

Artikel dazu aus dem Westfalenblatt:

https://www.westfalen-blatt.de/OWL/Kreis-Paderborn/Hoevelhof/3354121-Geschichte-der-Staumuehler-Einrichtung-im-Zweiten-Weltkrieg-ist-kaum-erforscht-Das-unbekannte-Seuchenlazarett

 

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Die Dorfgemeinschaft Staumühle hat einen Antrag an den Rat der Sennegemeinde Hövelhof gestellt.

Die Gemeinde wird darin gebeten, die Aufarbeitung der Geschichte des Seuchenlazarettes Staumühle in professionelle Hände zu geben. Das Ergebnis soll eine wissenschaftlich korrekte Aufarbeitung und möglichst eine dauerhafte Dokumentation sein.

Der Gemeinderat hat sich in einer ersten Sitzung am 03.05.2016 damit beschäftigt und hat den Beschluss gefasst, das sich Gemeinde und Verein mit der Universität Paderborn treffen um Kosten und Aufwand zu ermitteln. Grundsätzlich haben die Politiker das Anliegen begrüßt und unterstützt. Dies wird jetzt eine Kostenfrage sein.

 

Den kompletten Antrag der Dorfgemeinschaft sowie die Ratsvorlage finden Sie hier:

Antrag

 

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Zusammenfassung Seuchenlazarett Staumühle von Mario Schäfer

Durch die starke Unterernährung im Stalag 326 (VI K) breitete sich dort 1941 eine starke Ruhr Epidemie aus. Da die Möglichkeiten im Lazarett nicht ausreichten, wurden 10 Personen abkommandiert und nach Staumühle geführt um dort das Lazarett vorzubereiten. Dieses unterstand dem Kommandanten des Truppenübungsplatzes wurde aber nahezu ausschließlich von Kranken aus dem Stalag 326 (VI K) belegt und die Verstorbenen daher auch dort bestattet.

Nach einer Woche trafen die ersten Kranken ein. Unter Ihnen fast immer ebenfalls Transporttote. Bereits am Anfang starben täglich 20-30 Menschen. Anfangs wurden die Kranken nur von Sanitätern versorgt, unter anderem von M. A. Krischnow der den uns bislang einzigen Augenzeugenbericht über die Zeit in Staumühle verfasst hat. Nach einigen Wochen kam mit Dr. Obarski ein erster Arzt im Lazarett an. Ein polnischer Gefangener aus dem Waldlager in Sennelager.

Daraufhin wurde die Kost auf Diätkost aus Graupensuppe und Makkaroni umgestellt, was die Sterblichkeitsrate leicht verbesserte.

Zu der Zeit begann bereits eine starke Untergrundtätigkeit. Viele Gefangene, die in der Karteikarte den Vermerk hatten "Unterliegt einer sofortigen Vernichtung“, wurden zuerst krankgeschrieben und dann nach Staumühle gebracht und dort künstlich "krank" gehalten um ihre Auslieferung zu verzögern. In schweren Fällen wurde die Identität mit verstorbenen Gefangenen getauscht um so den Tod vorzutäuschen. In späteren Jahren wurden diese Gefangenen zu Typhuspatienten erklärt, da die Deutschen die Typhusbaracke aus Angst vor Ansteckung nicht betreten wollten.

Auch Fluchten wurden aus Staumühle heraus in größerem Maßstab organisiert. Dies wurde erst später durch einen eingeschleusten Agenten der Gestapo aufgedeckt. Nach einer gut organisierten Massenflucht, wurden die vermuteten Organisatoren gefoltert, aber alle hielten den Befragungen stand. Stattdessen wurde die gesamte Wachmannschaft an die Ostfront versetzt und die Bewachung neu organisiert.

Um an Informationen zu kommen, wurde gerne der Leichenfahrer Koch (bekannt als der Fahrer mit der Augenklappe) vom Apotheker unter Alkohol gesetzt. So konnte sich der Widerstand mit ausreichend Informationen versorgen.

Zwischenzeitlich soll die Hälfte der Gefangenen im Seuchenlazarett gesund gewesen sein, wurden aber krank gehalten um sie vor der Zwangsarbeit zu schützen. Die Infiltration ging soweit, das ein russischer Kundschafter das Lazarett in der Uniform eines deutschen Oberst besuchte und mit allen Ehren empfangen wurde. Dies führte dazu, dass ab 1944 die SS Provokateure ins Lager schleuste, um diesem Treiben ein Ende zu setzen.

Nach dem Krieg stellte sich heraus dass die angebliche russische Widerstandsorganisation "Michail Kolzow" eine reine SS-Operation war. Wobei es auch hierzu widersprüchliche Aussagen gibt.

Soweit zu den Zuständen innerhalb des Lagers.

In Bezug auf die Todeszahlen und die Abläufe gibt es verschiedenste Quellen. Auch was die Sterblichkeitsraten angeht. Diese Aussagen sind zum Teil durchaus widersprüchlich, was die Notwendigkeit einer Aufarbeitung unterstreicht:

F.I. Tschumkow spricht von Staumühle als einem Speziallager mit noch knapperen Rationen, wo alle ohne Ausnahme schnell starben. Das wiederspricht zwar den Erzählungen von M. A. Krischnow. Wobei sich Krischnow aber vorrangig auf die Anfangszeit bezieht.

Eine wichtige Aussage, die so auch zu 100% von der Dokumentationsstätte heute noch wiedergegeben wird, stammt aus dem Buch "Das Stammlager 326 VI/K". Seite 189/190. Demnach fanden die amerikanischen Befreier in der Lagerkartei nur ca. 30.000 Tote aus dem reinen Stalag 326 (VI / K) und seinen Arbeitsbetrieben. Die Todeszahlen aus Staumühle waren in dieser Kartei nicht zu finden, sondern nur auf den Friedhofbelegungslisten. "Wahrscheinlich erreichten die Totenzahlen aus Staumühle die gleiche Größenordnung wie der der im Stalag Umgekommenen; sie können sogar höher gelegen haben (...) Das wird den ehemaligen Gefangenen bald aufgefallen sein und sie könnten durch eine Addition der Toten des Stalag und des Lazaretts durchaus auf die Zahl 65.000 gekommen sein. (...) Danach ist die Zahl 65.000 eine plausible Größe, die man nur in Frage stellen darf, wenn bisher unbekannte Quellen sie widerlegen."

Dies ist auch die derzeitige Lesart im Gespräch mit Herrn Nickel als Leiter der Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K). Ca. 30.000 Verstorbene im Stalag und all seinen Nebenstellen plus 35.000 aus Staumühle bilden die Belegung von 65.000 auf dem Soldatenfriedhof.

Darin enthalten ist auch die Auflösung des Staumühler Friedhofs mit ca. 150 Verstorbenen.

Es existieren zahlreiche weitere Quellen im Archiv des Vereins, die die hier dargelegten Daten unterstützen.

Letzten Endes muss zusammenfassend festgehalten werden, dass im Seuchenlazarett (relativ unstrittig) ca. 35.000 Menschen verstorben sind. 3,5 Jahre lang gehörte der einäugige Kutscher Koch zum Bild Hövelhofs genauso wie die unsagbar vielen Gefangenentransporte die am Bahnhof Hövelhof ankamen und größtenteils über den "Russenpad" nach Stukenbrock Senne gingen. Einige Tausend kranker Gefangener aus den Schächten des Ruhrgebietes wurden über Hövelhof aber auch direkt nach Staumühle gebracht.  Nach Absicht der Deutschen kamen die Kranken zum Sterben und nicht zur Genesung nach Staumühle, trotzdem wurde gerade das Lazarett in Staumühle ein Zentrum des Widerstandes der russischen Kriegsgefangenen, die dort sowohl gesuchte Offiziere und Kommissare versteckten, als auch grundsätzlich versuchten durch die Verzögerung der Gesundung der Kriegswirtschaft Deutschlands zu schaden.

  

Um die Bedeutung zu unterstreichen hier ein Vergleich mit ausgesuchten bekannten anderen Einrichtungen, die weithin bekannt sind, sich aber in ähnlichen Größenordnungen bewegen:

Frauen KZ Ravensbrück 20.000-30.000 Tote in 6 Jahren (3.500-5.000 / Jahr)

KZ Groß-Rosen 40.000 in 5 Jahren (8.000 / Jahr)

KZ Dachau 41.000  in 12 Jahren (ca. 3.500 / Jahr)

DuLag und Gestapogefängnis Theresienstadt 35.000 in 4 Jahren (ca. 9.000 / Jahr)

Bekannt aus nächster Nähe: KZ Niederhagen/Wewelsburg: 1.125

Stalag 326 (VI / K) 30.000 in 4 Jahren (7.500 / Jahr)

Seuchenlazarett Staumühle 35.000 in 3,5 Jahren (10.000 / Jahr)

All diese Stätten der Nazizeit sind ausreichend erforscht. Staumühle ist in der Vergangenheit nicht berücksichtigt worden. Es wird Zeit das zu ändern.

Zukunft gestalten beginnt damit, die Vergangenheit zu verstehen und aus ihr zu lernen.